Vier Monate ist es her, dass es zum grässlichen Terrorakt im Grazer Gymnasium Dreierschützengasse kam. Die wahren Hintergründe des Täters werden wohl verborgen bleiben. Drei Jahre sind jetzt seit dem Hamas Angriff auf jüdische Grenzsiedlungen am Gaza-Streifen mit 1500 Toten und Geiseln vergangen. Für die einen ein brutaler unmenschlicher Terrorakt, für andere der Verzweiflungsschrei geknechteter Menschen. Seit dem wie immer unser Metier ist die Nutztierhaltung. Auch hier sind Tod und Gewalt in riesigem Ausmaß die Regel, dazu teilweise auch Qual und Marter. Rund Hundert Millionen warmblütige fühlende Tiere, vor allem Hühner, Schweine und Rinder sind Opfer unseres Essverhaltens. Aus tierischer Sicht gesehen faktischer Terror.
Das ist in dieser Menge nach modernen Gesundheitserkenntnissen sogar eher gesundheitsschädlich. Neben diesen sozusagen gesetzlich-fundierten faktischem Terror ist es wenigstens in der Vergangenheit immer wieder zu aufbegehren gekommen. Zu aufbegehren von Menschen, meist jungen Menschen die sich mit dieser brutalen Gewalt gegen Tiere nicht abfinden wollten. Und daher ihrerseits mit Gewalt reagiert haben, mit Gewalt gegen Menschen oder Sachen die diese Gewalt gegen Tiere direkt oder indirekt üben. So insbesondere anfangs unseres Jahrhunderts, Akte die teilweise im kläglichen – ein Jahr dauernden – Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess endeten.
Bei so viel Gewaltakten kann es interessant sein einmal in die gute alte Zeit zu schauen: Wie war es beispielsweise vor einenhalb Jahrhunderten? Gab es Frieden oder war Terror etwa alltäglich?
Dazu ein kleiner Artikel aus der Grazer sozialdemokratischen Zeitung „Arbeiterwille“ aus dem Jahre 1892
Erwin Lauppert, 21.10.2025
Die Propaganda der That
Arbeiterwille, Graz, 9.7.1892
Berichte über stattgefundene anarchistische Attentate bildete vor kurzer Zeit ein ständiges Capitel in den bürgerlichen Zeitungen, ausführliche Detailmalerei wurde geliefert, um das Grausige noch schrecklicher und den ängstlichen Philister, der schon nicht mehr ohne Dynamit beim Frühstück leben kann, noch banger zu machen und ihn für etwaige Ausnahmegesetze zu präparieren.
Auch die Socialdemokraten nehmen Stellung gegen die Attentate , und mit Recht; die bürgerlichen Schriftsteller aber haben kein Recht über die Verletzung oder Ermordung Unschuldiger zu jammern, sie die ganz trocken und ohne Entrüstung die verschiedenen Nachrichten bringen, daß z.B in einem Bergwerke ebenso unschuldige Menschen , Männer, Frauen und Kinder durch die Sparsamkeit und Geldsucht der Besitzer ums Leben gekommen, dass fortwährend unschuldige Menschen von Maschinen ohne Schutzvorrichtungen verstümmelt und in Stücke gerissen werden. Die besitzende Classe hat kein Recht, sich über die Dynamitanschläge zu entrüsten.
Die Sozialisten bekämpften den Anarchismus, besonders den praktischen Anarchismus, die Propaganda der That, mit Fug und Recht – und auch mit mehr Erfolg, als die besitzende Classe -, deshalb,weil der Anarchismus der besitzlosen Classe, dem Proletariate, nichts nützen kann, im Gegentheil, die Errichtung seines Endzieles, die Beseitigung der heutigen Gesellschaftszustände, hinausschieben könnte. Nicht umsonst wird das Lockspitzelthum in den verschiedenen Ländern gehätschelt und gepflegt!
Wir bekämpften die anarchistischen Attentate. Nicht als ob wir der Anwendung von Maßregeln irgend welcher Art erbleichen würden! Wir wissen, dass, wie Marx sagt, die Gewalt der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft ist, die mit einer neuen schwanger geht. Wenn die Spannkraft im Kessel allmählig größer und größer geworden ist, zersprengt sie denselben. Nicht aus Mittleid für die Bourgeoisie, nicht aus „moralischen“ oder „sittlichen“ Gründen sind wie gegen die Gewaltthätigkeit gegenüber einzelnen Personen, sondern weil dieselbe nichts nützt.
Die Vorgänge in Rußland haben dies bewiesen. Selbst in diesem Lande, wo die ganze Macht scheinbar in der Hand eines Einzigen liegt, hatten selbst erfolgreiche Anschläge nicht den erwarteten Sturz des Absolutismus zur Folge, sondern führten nur zur Vernichtung von Hunderten von Märthyrern. Die Macht lag eben in Wirklichkeit nicht in den Händen des Despoten, sondern der besitzenden Classe, und gegen die Organisation der einen Classe hilft nicht Dynamit, sondern nur die Organisation der unterdrückten Classe. Erst jetzt, wo sich die Unzufriedencheit der großen Masse des Volkes bemächtigt, wo die Arbeiter sich vereinigen, ist die Möglichkeit für den Sturz des Absolutismus gekommen.
Aehnlich ist es in den anderen Ländern. Es zeugt von einer kindlichen Unkenntnis der Gesellschaftszustände, wenn man vielleicht glaubt, durch ein Attentat auf einen Herrscher, einen Richter oder irgend eine Person die Herrschaft des Kapitals zu erschüttern. Der Kapitalismus zieht seine Kräfte aus tausenden von Wurzeln, und kann nur durch Untergraben des Bodens ausgehoben werden, nicht aber dadurch, daß man einige Blätter und Auswüchse abschneidet. Gegenüber der großartigen internationalen Organisation des Kapitals nützt nur die internationale Organisation der Arbeit.
Die Anarchisten glauben, durch die Attentate die Bourgeoisie einzuschüchtern. Im Gegentheil benützt die herrschende Classe jedes Attentat nur, um gegen die für sie viel gefährlichere Organisation der Arbeiter unter dem Beifall der indifferenten Masse Maßregeln zu treffen.
Unter dem Beifall der indifferenten Masse? Gewiß, so sehr es die Anarchisten bestreiten; die Attentate erfüllen nicht den Zweck, Propaganda für den Anarchismus zu machen.
Die Theorie der Propaganda der That geht dahin, daß der „revolutionäre Instinkt“ der Proletarier durch die Attentate geweckt und die Besitzlosen zu Anschlägen angeeifert werden. Gerade das Gegenteil tritt ein. Eine solche Erbitterung ergreift die grosse Masse des Volkes, dass die Regierungen leichtes Spiel mit der Ausnützung der Attentate zu ihren Gunsten haben. Besonders wenn das Attentat mißglückt, und nur unschuldige Leute, vielleicht selbst Proletarier, als Opfer fallen.
Die Herrschaft der besitzenden Classe wird durch die Anarchisten nicht im geringsten gefährdet, die Bourgeoisie wird nicht eingeschüchtert, die indifferente Masse wird gegen alle aufgestachelt, welche die bestehende Gesellschaft bekämpften – ganz nutzlos fallen die Opfer, brave Menschen, aber mit unklaren Köpfen, die der Sache des Proletariates sehr viel hätten nützen können, sterben auf dem Galgen oder in den Kellern – alles pour le roi de Prusse, für die Fortdauer der Herrschaft der Bourgeoisie.
Die Sozialdemokratie bekämpft den Anarchismus, nicht um sich bei der herrschenden Classe ein Bildchen einzulegen – noch mehr als die Anarchisten bekämpfen wir die Bourgeois – sondern deshalb, weil durch die Anarchisten die Agitation, die Organisation der besitzlosen Classe, beeinträchtigt wird, und die Aufklärung der Indifferenten, die Bereinigung der Aufgeklärten zu kampftüchtigen Truppen – das ist das Mittel, um dem Proletariat zum Siege zu verhelfen.
E. W. St.